Im Dezember 2015 wurde im Zuge der Kulturlandschaftsinitiative der LEADER Region Moststraße ein innovatives Forschungsprojekt gestaret. Die durch die HBLA und BA für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg errichtete und betreute Anlage soll wichtige Erkenntnisse für die Zukunft des Obstbaus liefern.
Dafür wurden in 22 Reihen 90 hochstämmige Birnbäume und dazwischen 2.226 schnellwüchsige Apfelbäume gepflanzt. Wieso man sich für diese Mischung entschieden hat, ist schnell erklärt. Birnbäume brauchen bis zu 20 Jahre bis sie Früchte tragen, Apfelbäume nur zwei.
Projektleiter DI Dr. Lothar Wurm hat für die Zeitschrift Besseres Obst die Erkenntnisse aus den ersten beiden Jahren im folgenden Artikel zusammengefasst. Mostbirnenhochstämme auf starkwüchsigen Birnenunterlagen brauchen ca. 15 bis 20 Jahre bis sich die endgültige Kronendimension entwickelt hat und bezogen auf die bepflanzte Fläche nennenswerte Erträge erzielt werden können. Bei guter Pflege können diese landschaftsprägenden Bäume, sofern sie von Krankheiten wie Feuerbrand oder Birnenverfall verschont bleiben, weit über hundert Jahre alt werden und ihren vielfältigen Nutzen für Umwelt, Tourismus und Produzenten entfalten. Der konsequente Weg der letzten Jahre in Richtung veredelter Spitzensäfte, -moste und –destillate regionaler Herkunft nicht nur im Mostviertel hat dazu geführt, dass in manchen Jahren, bedingt durch Alternanz, zu wenig Nachpflanzungen oder Frost, entsprechende Mengen guter Qualitäten von Mostbirnen Mangelware sind.
Betriebe, die einen wesentlichen Teil ihres Einkommens aus dem Verkauf von Obstverarbeitungsprodukten erzielen, legen großen Wert auf die regionale Herkunft der Rohware, brauchen kalkulierbare Mengen hoher Qualität, und suchen daher nach Alternativen. Baumpflanzaktionen sind wertvoll, sofern danach die Bäume nicht sich selbst überlassen werden, stellen aber nur langfristig eine Lösung dar. Auch die Revitalisierung bestehender Hochstämme ist prinzipiell zu begrüßen, stößt aber wegen des hohen Aufwandes meist bald an Grenzen. Pflanzungen von Mostbirnen auf fruchtbaren Unterlagen wie Farold 69 oder Quittenunterlagen und Erziehung als Hecken oder Spindeln hat im Mostviertel nur dann funktioniert, wenn auch ein Mindestmaß an fachgerechter Pflege und Pflanzenschutz in diese Anlagen investiert wurde.
So wurde die Idee geboren, eine Bleiber-Weicher-Anlage im Rahmen eines Leader Projekts bei dem für seine hervorragenden Moste und anderen Verarbeitungsprodukten bekannten „Mostbaron“ Hans Hiebl in Zusammenarbeit mit der LEADER Region Tourismusverband Moststraße unter fachlicher Koordination der Höheren Bundeslehranstalt und Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg auszuprobieren. Bei diesem Bleiber-Weichersystem, einer Weiterentwicklung eines alten Konzeptes aus dem vorigen Jahrhundert, werden zwischen die Hochstammbirnbäume („Bleiber“) Apfelbäume auf schwächeren Unterlagen („Weicher“), sowohl in der „Bleiberreihe“ als auch zwischen den Bleiberreihen, gesetzt. Die „Weicherbäume“ sollen dann, bis die „Bleiber“ zu fruchten beginnen, in den ersten 15 bis 20 Jahren frühe Erträge sicherstellen und können dann den „Bleibern“ weichen. Die Apfelsorten auf der schwachwüchsigen, nicht standfesten Unterlage M9 fruchten schon im zweiten Standjahr und können bereits im fünften Standjahr die Vollertragsphase erreichen.
Im Winter 2015 wurden daher auf einer Bruttofläche von gut einem ha mehr als 2200 Apfelbäume als spätere „Weicher“ und ca. 90 Hochstammmostbirnenbäume als Bleiber gepflanzt.
Die Mostbirnensorten Gelbmostler, Schweizer Wasserbirne, Grüne Pichlbirne und Stieglbirne wurden von Hans Hiebl, die Apfelsorten von der HBLA Klosterneuburg ausgewählt. Bei der Auswahl der Apfelsorten stand deren Eignung für Spitzenqualitäten von Verarbeitungsprodukten wie Most, Saft oder Destillat im Vordergrund. Daneben spielten als Auswahlkriterien die Robustheit gegenüber Krankheiten und die Reifezeit eine wesentliche Rolle (Tab.1).
Tabelle 1: Kurzbeschreibung der ausgewählten Apfelsorten bzw. Klone
Braeburn Klon Maririred: | späte Wintersorte, feuerbrand- und schorfanfällige Sorte mit hohem Ertragspotential; eine der besten Sorten für Spitzenmost |
Florina: | Spätherbstsorte; für Spitzenprodukte geeignet, schorfresistent, wenig anfällig für Feuerbrand |
Enterprise: | späte Wintersorte; für Spitzenprodukte geeignet, schorf- und feuerbrandresistent, mehltauempfindlich |
Roter Boskoop: | Spätherbstsorte; alte, robuste, säurebetonte Sorte, die sortenrein als auch in Mischungen mit süßen Sorten für Spitzenprodukte gut geeignet ist. |
Rubinette Klon Rosso: | Spätherbstsorte; kein Massenträger, aber geschmacklich von vielen Fachleuten als beste Apfelsorte eingeschätzt. Pilz- und feuerbrandanfällig |
Red Topaz: | schorfresistente, aber feuerbrandempfindliche Wintersorte mit hervorragendem Aroma für Spitzenprodukte |
Elstar Klon Elshof: | Herbstsorte; geschmackliche Spitzensorte; alternanzanfällig, mittlere Schorfempfindlichkeit, hohe Feuerbrandempfindlichkeit |
Wie wird die Anlage gepflegt?
Hans Hiebl betreut die Anlage auf der Grundlage Biologischer Produktionsrichtlinien. Die Pflege soll so gestaltet werden, dass eine gute Entwicklung der Birnenhochstämme gewährleistet ist und frühe, hohe und regelmäßige Apfelernten höchster Qualität für Verarbeitungszwecke erzielt werden. Die Apfelbäume sollen künftig maschinell geschnitten und ausgedünnt, die Birnenhochstämme händisch erzogen werden. Zwischen den Baumreihen bleibt durch das Grasmulchsystem die Fahrgasse auch nach Niederschlägen befahrbar, in der Baumreihe wird ein schmaler Streifen bewuchsfrei gehalten. Das Schnittholz wird zerhäckselt, verbleibt wie der Grasmulch in der Anlage und fördert so Humusaufbau, Krümelgefüge und Bodenfruchtbarkeit. Pflanzenschutzmaßnahmen gegen Krankheiten wie Feuerbrand oder Schorf und Schädlingen wie Wühlmaus, mehlige Apfelblattlaus, Apfelsägewespe und Apfelwickler orientieren sich an den Richtlinien der Biologischen Produktion, wobei die Anzahl an direkten Behandlungen aufgrund geringerer Ansprüche an die äußere Fruchtqualität im Vergleich zu Frischmarktproduktion deutlich reduziert werden kann.
Welche Risiken müssen besonders beachtet werden? Das größte Risiko für die Baumgesundheit stellen Feuerbrandinfektionen dar. Besonders während der Blütezeit können sich Infektionen verheerend auswirken. Wesentlich war daher die frühzeitige Entfernung sämtliche Blüten im Pflanzjahr. In den Folgejahren sollen nun konsequent etwa mittels Hefeantagonistenpräparaten Infektionen möglichst verhindert werden oder Befallsherde frühzeitig erkannt und befallene Äste weggeschnitten werden.
Wühlmausgänge in der Pilotanlage deuten auf eine starke Wühlmauspopulation hin. Wühlmäuse können sogar die Birnenhochstämme in den ersten drei Standjahren durch Wurzelfraß schädigen, bedrohen vor allem aber die gesunde Entwicklung der Apfelbäume auf der schwachwüchsigen Unterlage M9. Durch regelmäßige mechanische Bearbeitung des Baumstreifens und Wegfangen der Mäuse mittels spezieller Fallen kann diese Bedrohung entschärft werden.
Vor allem die spätreifenden Sorten Braeburn und Enterprise könnten in Jahren mit eher kühler Sommer- und Herbstwitterung unter den gegebenen Standortbedingungen physiologisch nicht optimal ausreifen und somit ihr Potential für Spitzenverarbeitungsprodukte nicht ausschöpfen. In solchen Jahren muss durch konsequente, frühzeitige händische Fruchtausdünnung die Ausreifung gefördert werden.
Die zunehmenden Witterungsextreme, vor allem Spätfrost, Trockenheit und Hagel, könnten die Anlagenentwicklung beeinträchtigen und in manchen Jahren die Erträge und Qualitäten reduzieren. Auf Hagelschutznetze wurde in dieser Anlage für Verarbeitungsobst verzichtet.
Obstproduktion nach Bio-Richtlinien setzt ein hohes Engagement und Fachwissen voraus und birgt trotzdem schwer kalkulierbare Risiken (z.B. Marssoninabefall oder Verlust der Schorfresistenz bei Red Topaz) und Mehraufwand. Für einen Einsteiger in diese Art eines „extensiveren“ Intensivobstbaues mit Apfelsorten ohne Anbauerfahrung auf diesem Standort eine große Herausforderung.
Fazit: Der Trend zu naturnahen oder biologisch erzeugten Spitzenprodukten aus Mostbirnen oder Apfelsorten regionaler Herkunft ist eine Chance für Obstverarbeitungsbetriebe. Die Kombination von regionaler, naturnaher und/oder biologischer, jedenfalls bienen- und biodiversitätsfördernder Produktion und der Versuch landschaftsprägende Bäume zu erhalten, bieten zudem Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Gastronomie, naturinteressierter Bevölkerung und Tourismus und könnten ein positives Image des Obstbaues als Gegengewicht zu bekannten Stereotypen schaffen.